Amerikanische Städte und europäische Erwartungen: Wo bleibt das Zentrum?

Wenn ich mit europäischen Touristen in den USA unterwegs bin, höre ich eine Frage immer wieder, sobald wir im Hotel ankommen: „Wo ist die Stadt?“ Und jedes Mal muss ich schmunzeln, weil meine Antwort oft Verwunderung auslöst: „Wir sind in der Stadt.“ Dieser Moment wiederholt sich bei fast jeder Tour, und er zeigt mir immer wieder, wie unterschiedlich die Erwartungen meiner Gäste an amerikanische Städte sind.

In Europa sind Städte oft auf Fußgänger ausgelegt, mit zentralen Plätzen, Fußgängerzonen und einer lebendigen Atmosphäre, in der man ganz einfach vom Hotel aus spazieren gehen und Cafés, Geschäfte oder Sehenswürdigkeiten erreichen kann. Das ist die Art von Stadterlebnis, die viele europäische Reisende in den USA erwarten. Doch in vielen typischen amerikanischen Städten sieht die Realität ganz anders aus.

Abgesehen von großen Metropolen wie New York, San Francisco oder Chicago sind viele amerikanische Städte nicht für Spaziergänge konzipiert. Gehwege sind oft spärlich vorhanden, und die Entfernungen zwischen Hotel, Restaurants und Sehenswürdigkeiten sind so groß, dass es fast unmöglich ist, diese zu Fuß zu erreichen. Stattdessen ist es in den USA üblich, sich mit dem Auto fortzubewegen. Dies führt oft zu Verwirrung, wenn meine Gäste an einem Ziel ankommen und feststellen, dass es kein Stadtzentrum gibt, wie sie es von zu Hause gewohnt sind.

Die Kultur des Autos ist in den USA tief verwurzelt. In vielen Regionen Amerikas sind Drive-Ins, große Parkplätze und Autobahnen, die sich durch Städte schlängeln, an der Tagesordnung. Der öffentliche Nahverkehr spielt in vielen Städten nur eine untergeordnete Rolle, und das Stadtbild ist entsprechend auf das Auto ausgerichtet. Das bedeutet, dass man in typischen amerikanischen Städten nicht einfach aus dem Hotel treten und gemütlich durch eine belebte Innenstadt schlendern kann.

Natürlich gibt es Ausnahmen. Städte wie New York, mit seinen lebendigen Stadtvierteln und hervorragendem öffentlichen Verkehrssystem, bieten eine eher europäische Erfahrung. Auch San Francisco und Chicago sind für Fußgänger geeignet, aber diese Städte sind eher die Ausnahme als die Regel in einem Land, in dem der Platz großzügig bemessen ist und die Stadtplanung das Auto priorisiert.

Dieser kulturelle und strukturelle Unterschied ist für viele meiner europäischen Gäste überraschend. Sie sind es gewohnt, Städte zu Fuß zu erkunden und erwarten dies auch in den USA. Doch die ausgedehnte Natur der amerikanischen Städte bedeutet, dass es nicht nur unbequem, sondern oft sogar unpraktisch ist, sich zu Fuß fortzubewegen. Ich erkläre oft, dass wir uns bereits im Herzen der Stadt befinden, auch wenn es nicht so aussieht oder sich nicht so anfühlt wie in Europa.

Europäische Reisende sollten sich darauf einstellen, dass nicht jede Stadt in den USA für Fußgänger ausgelegt ist. Auch wenn dies enttäuschend sein mag, bietet es die Chance, Amerika aus einer anderen Perspektive zu erleben – aus dem Auto heraus. Mit einem offenen Geist und dem Verständnis für diese Unterschiede können Reisen in die USA dennoch zu einem bereichernden Erlebnis werden. Vielleicht werden europäische Gäste keinen zentralen Platz zum Flanieren finden, aber sie werden die Weite und das andere Tempo der amerikanischen Städte kennenlernen – und das ist auch eine Erfahrung wert.

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